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Wege über die Alpen ==================== Seit der Römerzeit bestand zwischen Italien und den nördlichen Provinzen ein System von Wegen und Saumpfanden über die Alpen. Befahrbare Pässe gab es jedoch bis in die Neuzeit nicht. Wagen mussten zerlegt werden und mit Tragtieren über die Berge transportiert werden. Erst Napoleon I. liess eine Reihe von Passstrassen bauen, im 18.Jahrhundert. Davor gab es allen Mühe zum Trotz viel Verkehr entlang diesen Handelsrouten über die Alpen. Während in Östereich-(Ungarn) 1867 schon die ersten Eisenbahnzüge durch die Alpen fuhren, war sich die Schweiz lange uneinig über Projekte wie; über den Lukmanier, oder Splügen, Greina, Gotthard, Grimsel oder Simplon. Italien und Frankreich realisierten 1871 ihr eigenes Alpenbahnprojekt von Lyon nach Turin. Noch im gleichen Jahr wurde ein internationales Geldgeberkonsortium gegründet zum Bau des 15km langen Gotthardtunnels. Am 1.Juni 1882 war die Eisenbahnlinie fertiggestellt, mit Verbindung bis Chiasso. 1898 wurde der Simplontunnel (20km) gebaut mit grosser finanzieller Beteiligung von Frankreich. 1906 wurde die Strecke von Brig über Iselle nach Domodossola fertiggestellt. Von 1908 bis 1913 wurde mit Hilfe Frankreichs die Lötschbergbahn realisiert, womit Bern gegen Süden zu einer wichtigen Transitachse wurde. Die Lötschberglinie wurde 1911 bereits auf die neue, heute übliche Art elektrifiziert, mit der 1-Draht Oberleitung. Der Simplontunnel der 10 Jahre früher gebaut wurde, verblieb noch 17 Jahre mit der alten Elektrifizierungart. Die Simplonlinie von Brig-Iselle-Domodossola wird von der SBB betrieben. Als Vergleich der Gotthardtunnel von 1880, wurde bis 1923 mit Dampflokomotiven betrieben. 2007 dann wurde der neue zusätzliche BLS-Lötschbergtunnel (34 km) fertiggestellt, mit Verbindung von Frutigen durekt ins Wallis. Die zweite Röhre wurde leider nicht fertigestellt, und endete 7 km vor Frutigen und verblieb in der Rohversion. 2016 nach 18jähriger Bauzeit wurde nun der neue Gotthardeisenbahntunnel fertiggebaut.Mit einer Gesamtlänge von 58 km der aktuell längste Tunnel der Welt. Bau der Lötschbergbahn 1906- 1013 in Kandersteg im Berner Oberland ================================================================== Auf dem Friedhof von Kandersteg steht ein gut 100 Jahre altes einfaches Denkmal.Auf einer auf dem Stein angeschraubte Metallplatte sind 25 italienische Namen zu lesen. Sie gehören den Opfern der grössten Katastrophe, die sich während des Baus des Lötschbergtunnels ereignete. Am 28.Juli 1908 schoss nach einer Sprengung Schlamm und Geröll aus dem darüberliegenden Gasterntal in den Stollen. Nur ein Toter wurde noch gefunden und auf dem Friedhof beigesetzt, stellvertretend für die anderen 24 die der Berg begrub. Als Ironie des Schicksals wurden sie mit Namen festgehalten. Von den vielen Hundert anderen Arbeitern, die für einige Jahre im Berner Oberland lebten und schufteten sind keine Spuren geblieben. Ausser den fertiggestellten Lötschbergtunnels. Italienerdorf in Kandersteg In den Baujahren Ende 1906 bis Mitte 1913 prägten besonders die Arbeiter und ihre Familen das Bild von Kandersteg. In Spitzenzeiten lebten hier mehr als 3000 italienische Staatsangehörige, ein Vielfaches der damals 455 Einheimischen. Innerhalb weniger Monaten entstand eine zwischen der Baustelle und Dorf eingeklemmte provisorische Siedlung. In Goppenstein entstand gleichermassen ein zweite Wohnsiedlung. Während der Tunnelbau gut dokumentiert wurde, interessierten sich Chronisten kaum für den Alltag der Arbeiter. Bestimmt war das Italienerdorf mehr als nur eine Schlafstätte. Es entwickelte sich ein vielseitiges Leben. Das zeigt schon die Tatsache, dass in den Baujahren im Zivilstandskreis Kandergrund 555 italienische Kinder zur Welt kamen. Rund 1/3 der Arbeiter war verheiratet. Ihre Frauen und Kinder begleiteten sie häufig. Ulrich Junger der ehemalige Pfarrer von Kandersteg schätzt das etwas 1000 Angehörige vor Ort waren. Er befasste sich nach seinem Amtsantritt im Jahr 1955 mit dem Thema und sprach mit damaligen Zeitzeugen. Schule, Spital und Unterhaltung Mit den Arbeitern kamen andere Berufsleute, Händler, Wirte, Bäcker, Friseure und Schuhmacher. Sie folgten den Arbeitern von Baustelle zu Baustelle. Viele haben schon am Bau des Simplontunnels bis 1906 mitgearbeitet. Mit zum Tross gehörte auch der Schwesternorden Suore Giuseppine aus Cueno. Die Nonnen pflegten die Patienten im Bauspital und unterrichteten an der italienischen Schule. Die Arbeit am Tunnel war reine Männerarbeit. Ausserhalb des Berges machten sich aber auch Frauen als Haushälterinnen, Köchinnen oder Kellnerinnen nützlich. Auch sonst entstand ein vielseitiges Unterhaltungsangebot rund um den Tunnelbau. So wurden auch Filmvorführungen im Arbeiterdorf und auch im Hotel National. Ebenfalls spielte die eigene Musik der Bergbauleute. Auch in den zahlreichen Gasthäusern ging es immer hoch zu und her vorallem an Sonntagen wenn gespielt und getanzt und getrunken wurde. Musste doch die Polizei immer wieder ausrücken und Betrunkene in Gewahrsam zu nehmen und Streithähne zu trennen. Kultur der Bedürfnislosigkeit Die Vergnügungen bildeten den Kontrast zum Alltag der Tunnelarbeiter, der äussert hart war. Mit dem knappen Lohn von 3.30 bis höchstens 6 Franken am Tag liess sich nur das Nötigste kaufen. Ein Kilo Brot kostete 40 Rappen eine Portion Fleisch mit Gemüse deren 50. Trotzdem haben die Arbeiter auf der Nordseite während der Bauzeit insgesamt 2,2 Millionen Franken gespart und nach Italien geschickt. Die Bauarbeiter lebten ein Kultur der Bedürfnislosigkeit, die schon gelebt wurde beim Bau des Gotthardtunnels 1872- 1882. Das trifft auch auf die Unterkünfte zu. Wie Pilze schossen barackenähnliche oft dreistöckige Wohnhäusern aus dem Boden beschreibt Pfarrer Junger. Im Erdgeschoss der Wohnbaracke befand sich die Kantine, darüber befanden sich jeweils die Schlafräume, wo auch Familien Einzelabteile mieten konnten. Ebenfalls konnten Familien auch bei Privaten untergebracht werden. Die Wohnbedingungen waren zeitweise so prekär das die Gemeindeveranwortlichen Vorschriften erlassen musste um Mietverhältnisse besser zu regeln. Behörden stellten grosse Mängel fest an der sanitären Einrichtungen. Schliesslich ging es auch darum kein negatives Bild abzugeben der Region die sich ja immer mehr zu einem Fremdenverkehrsort entwickelte. Tunnelbau in den Alpen & Wirtschaftsförderung Schweizer und Einheimische waren bei der französischen Konsortium Entreprise Generale de Lötschberg EGL in leitenden Positionen und Verwaltung und als Ingenieure tätig. Lange Zeit war die Schweiz ein Auswanderungsland. Erst so ab 1880 kam es langsam zur Verbesserung der Wirtschaft. Italien hatte zu dieser Zeit einem grossen Geburtenüberschuss und gleichzeitig kam es zu Strukturprobleme in der Landwirtschaft mit negativen Folgen bei der Beschäftigung. So haben in den folgenden Jahrzehnten bis 14 Millionen Italiener ihr Heimatland verlassen und so auch in Schweiz Verdienst und Arbeit gefunden haben. Trotz teilweise prekären Situation waren die Arbeiter gewerkschaftlich gut organisiert und waren klassenkämpferisch. Sie haben auch eine betriebseigene Taggeldversicherung gegründet mit Mithilfe der Bauunternehmung. Im Ortsmuseum kann noch die Vereinsfahne bewundert werden mit der Aufschrift Umanità - Egualianza - Lavoro (Menschlichkeit - Gleichheit - Arbeit). Die Unfallversicherung wiederum war Sache der Bauunternehmung. Bei Todesfall wurde Hinterbliebenen mit 6000 Franken entschädigt. Insgesamt kamen beim gesamten Bau zu 116 Todesfälle, und 12'000 Mal kam es zu Arbeitsausfälle von 5 Tage und länger. Zum Verhältnis der einheimischen Dorfbevölkerung mit der angereisten Arbeiterschaft aus Italien, ist nur noch in Fragmenten zu erfahren. Zu ernsthaften Probleme ist offenbar nicht gekommen. Kandersteg Durchgangsort des Lötschbergpasses und Gemmi war ja gewohnt mit Fremdländischem umzugehen. Zudem kamen die Bauleute ja auch für ein Bauwerk zu erschaffen wo zum Allgemeinwohl beitragen soll. So ganz ohne Bedenken ist es aber dann doch nicht abgelaufen. So fürchteten doch einheimische Gewerbeleute sich schon gelegentlich vor der neuen Konkurrenz, die oftmals neuartigen Produkte mitbrachten. Die Sittenpolizei etwa schrieb im Amtsanzeiger, Mädchen vom Kandertal nehmt euch während der Bauzeit schön in Acht. Ein einziger Fehltritt kann euch in ein lebenslanges Unglück stürzen. Tatsächlich kam es zu keiner Hochzeit zwischen einem Schweizer und einer Italienerin, und nur 6 Schweizerinnen verheirateten sich mit angereisten Italienern. Auch wenn unter den grössten Teil jüngeren Bergbauleuten das Interesse durchaus vorhanden war. Die Nomaden ziehen weiter Die Behörden nahmen insgesamt eine geduldige und recht neutrale Haltung ein. Kandersteg vergrösserte 1908 seine Dorfschule. Sie nahm neben den Kinder von am Tunnelbau beteiligten Schweizer auch von Italienischen an, sofern sie gute Leistung brachten. Die meisten besuchten allerdings die von den Nonnen betreute Italienische Schule, wo die Gemeinde auch ein kleines Schulhaus baute. Schliesslich bezahlten die Italiener ja auch Schulsteuer. Das Gebäude wurde 1913 nach Grenchen gezügelt, sowie viele andere Bauten und Baracken, wo 1911 der Grenchenbergtunnel in Angriff genommen wurde. Zu dieser Zeit wurden zahlreiche Bauprojekte realisiert. In Trimbach war der Hauensteintunnel am Entstehen (1912-1916). Weiter wurden auch am Goppensteintunnel in Naters Arbeiter benötigt. So haben mit der Zeit die italienischen Tunelbauleute das Kandertal wieder verlassen. Quellenangabe : Der Bund 2013