Berns mächtige Zeit     (aus Berner Zeitung von  20.April 2006)



     


Das waren noch goldene Berner Zeiten



Zurück ins 16. und 17. Jahrhundert. Zurück in eine Zeit, da Bern noch mächtig war. Diese
Zeitreise bietet ein monumentales Buch über Geschichte, Kultur und Kunst, über Revolution,
Überschwemmungen und Steuern. Der Band "Berns mächtige Zeit" begleitet von einer 
Ausstellung im Kunstmuseum Bern.

Bern, kurz nach der Reformation von 1528: Das Staatsgebiet wird rasant vergrössert 1536
flattert der Berner Bär über Lausanne, über Vevey, das nun Wiflis heisst, über Aigle und
Yverdon, das nun Ifferten genannt wird. Die ganze Waadt ist annektiert - ind wird es bis 
Ende des 18.Jahrhunderts, bis zum Einmarsch der französischen Revolutionstruppen, bleiben.

Bern, das sich auch in den Aargau bis nach Brugg erstreckt, ist der grösste europäische
Stadtstaat nördlich der Alpen. Ein stolzer Staat. Ein mächtiger Staat, dessen Einrichtungen
fremde Besucher immer wieder zu loben wissen. Ein Blick auf das Buget von 1568 zeigt, wie 
die Einnahmen ausgegeben wurden - und erstaunt uns heute wohl doch einwenig:



  6%  Bildung
  9%  Finanzen
  2%  Gesundheit
  2%  Justiz und Polizei
  0%  Kultur
  1%  Landesverteidigung
  7%  Soziales
  1%  Umwelt und Verkehr
  0%  Wirtschaft
 43%  Verwaltung
 20%  Religion Kirche



Das zeigt: Es ist nicht nur ein Verwaltungsstaat, sondern auch ein von der Religion stark
bestimmter Staat, in dem die neue, reformierte Konfession Untertanen und Obrigkeit 
gleichermassen verplichtet, zu Zucht und Ordnung aufruft. Väterlich soll die Herrschaft
sein - was bedeutete das sie auch gesteng war. Sogenannte Mandate regelten den Alltag bis
hin zur Kleidung. So ist überliefert von einer Frau, die um 1694 zu einer Busse von 20
Pfund verurteilt wurde. Grund: Sie hatte am Werktag ein seidenes Kleid mit "allzuhohen"
Manschetten getragen. Die Busse entsprach einem Jahreseinkommen einer Magd. 
Glücklicklicherweise gehörte die Frau der bessergestellten Oberschicht an.

Bern regiert

Gehorsam sollte die Untertannen sein - was sie nicht immer waren: 1653 brach der grosse
Bauernkrieg aus, der äussert blutig niedergeschlagen wurde - ein düsteres Kapitel, das
das Bewusstsein von Generationen prägen sollte. Klar war wer regierte, die Stadt Bern.
Und innerhalb der "regimentsfähigen" Berner Familien - also derer, die überhaupt in
regierende ÄMTER und GREMIEN zugelassen waren - bildete sich mehr und mehr ein Zirkel
heraus, der das Sagen hatte, das Patriziat

Was man auch immer aus heutiger Sicht von diesem Regime halten mag: Bern war nicht nur
mächtig, sondern blühte - nicht unbedingt in Bereichen wie Literatur und bildende Kunst,
wo die strenge reformatorische Lehre enge Grenzen zog.

Auch in den Wissenschaften war Bern - trotz einer stolzen Bibliothek - eher träge, wie
schon Zeitgenossen kritisierten. Bern blühte eher in Bereichen, die der Religion und
der Repräsentation dienten: Kirchen und Schlösser wurden gebaut. Holzbrücken errichtet,
ein erstes privates Postwesen installiert.

Das und noch viel mehr erfährt man jetzt im neuen Band "Berns mächtige Zeit". Der mehr
als 600-seitige Wälzer arbeitet die Geschichte des 16. und 17.Jahrhundert in allen
Bereichen minutios auf. Mit vielen Illustrationen, anschaulich geschrieben und bringt
neben Hauptzügen der Geschichte, viel anderes Wissenswertes und überraschende
sonstige Erkenntnisse.

So liest man nicht nur mit Interesse über den ersten Postpachtvertrag, sondern auch
über den unerbitterlichen Kampf gegen das "edle Kraut" den Tabak, man erfährt etwas
über das anatomische Erscheinungsbild der Bernerinnen und Berner im Mittelalter und wird 
sozusagen Zeuge der ÜBERSCHWEMMUNGEN im Jahr 1566, die gewaltigsten in den letzten 
fünf Jahrhunderten.

Wohltuend unpatriotisch

Dieser einzigartige Geschichtsband ist ganz klar und wohltuend keine patriotische 
Erfolgsreport aus vergangener grossen Zeit Berns. Im letzten Kapitel etwa wird 
gefragt, "Wie mächtig war Bern in seiner mächtigen Zeit?". Was als wuchtiger Titel 
daherkommt wird somit nochmals klar hinterfragt.

Mit diesem Ansatz entspricht der Band dem ganzen Projekt, dessen Teil er ist. Der
"Verein Berner Zeiten" hat nämlich das ehrgeizige Ziel, die ganze Berner Geschichte
nach dem neusten Kenntnisstand aufzuarbeiten.

Bisher sind die Bände: "Berns mutige Zeit"        (13. und 14.Jahrhundert)
                       "Berns grosse Zeit"        (15.Jahrhundert)
                       "Berns mächtige Zeit"      (16. und 17.Jahrhundert)

erschienen. Alle Bände haben neben der gleichen Qualität - eines gemeinsam: Sie
sins ein Muss für jeden Geschichtsinteressierten.


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Das Buch: André Holenstein u.a.(Hrsg): Berns mächtige Zeit. Das 16. und
17.Jahrhundert neu entdeckt. Schulverlag/Stämpli 600 Seiten, 600 Farb und 
Schwarz-Weiss Abbildungen.

Bis 31.Juli 2006  86.00 CHFR  nachher  98.00 Franken

Ausstellung

Kunstmuseum Bern, bis 9. Juli 2006  Di                       10.00 Uhr - 21.00 Uhr,  
                                    Mo-So /Feiertage         10.00 Uhr - 17.00 Uhr

Kunstmuseum Bern

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Führungen
  
jeweils 17.30 Uhr bis 19.00 Uhr      dienstags        2.Mai 2006 bis 26.September

Treffpunkt: Touristischer Bahnhof, 

Thema: Stadtbefestigungen  

Rundgang "Berns mächtige Zeit"       mittwochs        3.Mai 2006 bis 27.September 
        

Tel: 031 328 12 12     Information
Tel: 031 328 12 10     Reservation

Berninfo

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Vorträge, Konzerte, Exkursionen

"Macht der Kunst der Macht"  Schloss Holligen

Tel: 031 311 54 78

Schloss Holligen


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